Es ist der 24. April 1945. Die Stadt Remscheid und das Zuchthaus Lüttringhausen sind seit einer Woche durch die amerikanischen Streitkräfte befreit. Es herrscht Durcheinander im Gefängnis. Die ehemaligen Gefangenen drängen darauf, schnellstmöglich in ihre Heimat zu ihren Familien zurückzukehren, unter ihnen Karel Jacobus Philippus Reusen.
Karel Reusen ist am 05.April 1880 in Leiden, in den Niederlanden geboren. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Von Beruf ist er Kaufmann und spricht sehr gut deutsch. Er schließt sich in seiner Heimat sehr früh dem Widerstand an und finanziert die Widerstandszeitung Vrij Niederlande. Am 25. Juni 1941 wird die Gruppe durch den berüchtigten niederländischen Spion Anton van der Waals verraten. Am 19. November 1941 fallen die Urteile. Vier Monate später werden drei Mitglieder auf der Waalsdorpervlakte, einer Senke im Dünengebiet, nördlich von Den Haag, hingerichtet. Peter Goudswaard, ein weiteres Gruppenmitglied stirbt am 30. März 1944 im Zuchthaus Lüttringhausen. Wegen seiner guten Deutschkenntnisse kann Karel Reusen sich vor Gericht verteidigen. Er entgeht nur knapp der Todesstrafe. Seine Strafe für die Verbreitung deutschfeindlicher Hetzschriften wird in eine lebenslängliche Freiheitsstrafe umgewandelt. Er kommt in verschiedene deutsche Lager und Strafanstalten. Vom 15. Juli 1942- 08. Mai 1945 ist er in Lüttringhausen inhaftiert. Als mittelloser Mann kehrt er zurück nach Hause.
Es ist der 24. April 1945. Gefängnispfarrer Krönig hält im Zuchthaus mit den Männern einen letzten Gottesdienst ab. Karel Reusen verliest Psalm 103, 15 „Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde.“ In seiner Bibel, die ihn die gesamte Gefangenschaft über begleitet, haben viele Mithäftlinge unterschrieben, so auch Kaplan Dr. Cornelius Roussaint, Hauptangeklagter im Berliner Katholikenprozess 1937, inhaftiert von 1937 – 1945. Pfarrer Krönig schreibt zum Abschied auf die letzte Seite der Bibel, „zur Erinnerung an die schwerste Zeit seines Lebens. “Die Erinnerung an Karel Reusen steht stellvertretend für alle Inhaftierten in Lüttringhausen in der Zeit des Nationalsozialismus. Karel Reusen stirbt 1954 im Alter von 74 Jahren. Die Geschichte über ihn und das umfangreiche Bildmaterial, verdanken wir Peter-Hans Auwerda, dem Urenkel von Karel Reusen, der auf Aruba lebt und uns hoffentlich noch dieses Jahr in Remscheid besucht.